Flyer zur Kundgebung Kürzen heißt Ausgrenzen am 06.05.25

Kürzen heißt Ausgrenzen – Kundgebung mit Menschenkette vor dem Heidelberger Rathaus

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Die geplanten Kürzungen der Stadt Heidelberg im Bereich Soziales für den Doppelhaushalt 2025/2026 sorgen bei vielen sozialen Einrichtungen für große Besorgnis. Sie befürchten, dass infolge der Sparmaßnahmen Beratungsangebote und Stellen gestrichen werden müssten. Das hätte gravierende Folgen für Kinder, Jugendliche, Frauen, queere Menschen, von Gewalt Betroffene, Schutzsuchende, Menschen mit Behinderung, Geflüchtete, Renter*innen und Wohnungslose.

Das Heidelberger Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung – dem viele soziale Einrichtungen angeschlossen sind, unter anderem auch der Frauennotruf Heidelberg – hat für den 6. Mai um 16:30 Uhr eine Kundgebung vor dem Rathaus der Stadt Heidelberg organisiert. Gemeinsam mit Frauen helfen Frauen e.V. (FhF) haben wir bei der Kundgebung folgende Rede gehalten. Der blaue Textbeitrag wurde von Frauen helfen Frauen e.V. vorgetragen, der grüne Text vom Frauennotruf Heidelberg.

Über die Kundgebung gibt es auch einen Bericht beim SWR.

Redebeitrag zur Kundgebung „Kürzen heißt Ausgrenzen“

Wir stehen hier heute gemeinsam mit vielen weiteren Verbündeten, weil der Schutz und die Beratung von gewaltbetroffenen Frauen und FLINTA Personen in Heidelberg in Gefahr ist!

Der Verein Frauen helfen Frauen e.V. Heidelberg ist Träger des Autonomen Frauenhauses mit der zusätzlichen Möglichkeit einer 24/4 Notaufnahme, der Frauenberatungsstelle Courage und der Interventionsstelle für Frauen und Kinder. Seit über 45 Jahren beraten und unterstützen wir gewaltbetroffene Frauen und von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Personen und ihre Kinder. Im aktuell vorliegenden Haushaltsentwurf der Stadt Heidelberg für 2025/26 ist die Teuerungsrate von 2,5 % pro Jahr in unseren Anträgen für die Beratungsstellen und die Notaufnahme des Frauenhauses nicht berücksichtigt. Zudem fehlt unsere beantragte Erhöhung von pädagogischen Personalstunden für die Notaufnahme des Frauenhauses. Das Autonome Frauenhaus Heidelberg ist bisher durch die Stadt Heidelberg überhaupt nicht institutionell gefördert. Wir haben die institutionelle Förderung von 4 zusätzlichen Frauenhausplätzen ab 2025 beantragt. Diese Förderung taucht im Haushaltsentwurf nicht auf, obwohl sie politisch beschlossen wurde.

Und das sind die Auswirkungen:

Ab sofort könnten in den Beratungsstellen mindestens drei Personalstunden pro Woche wegfallen. Auf ein Jahr gerechnet wären das 156 Beratungsstunden, welche weniger angeboten werden könnten. Dies hätte unmittelbare Auswirkungen auf das Angebot unserer Beratungsstellen und somit die Versorgung der von Gewalt betroffenen Frauen und ihrer Kinder:Flyer zur Kundgebung Kürzen heißt Ausgrenzen am 06.05.25

  • Weniger telefonische Erreichbarkeit
  • Längere Wartezeiten auch in Gefährdungs- und Krisensituationen
  • Längere Wartezeiten auf persönliche und telefonisch Beratungstermine
  • Weniger verlässliche Erreichbarkeit für Polizei und weitere Akteur*innen des Hilfesystems

In der Notaufnahme des Frauenhauses können wir aktuell den Bedarf an Anfragen und Unterstützung nicht decken. Sollte es keine Teuerungsrate und keine Erhöhung der Personalstunden geben, wäre noch weniger davon leistbar.

In Heidelberg fehlen laut Vorgaben der Istanbul- Konvention 22 Schutzplätze für Frauen und Kinder im Frauenhaus, 4 Plätze mehr wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch wir vom Frauennotruf Heidelberg erleben tagtäglich als spezialisierte Fachberatungsstelle zu sexualisierter Gewalt, was es bedeutet, wenn Schutz und Beratung nicht ausreichend gesichert sind – und was auf dem Spiel steht, wenn Finanzierungslücken wachsen.

Laut Dunkelfeldforschung sind in Heidelberg mindestens 10.000 Frauen seit ihrem 16. Lebensjahr von schwerer sexualisierter Gewalt betroffen – also Vergewaltigung oder sexueller Nötigung. Besonders vulnerable Gruppen – wie beispielsweise Frauen mit Behinderungen – sind in dieser Zahl nicht einmal berücksichtigt, obwohl sie überdurchschnittlich häufig von sexualisierter Gewalt betroffen sind.

Mehr als jede zweite Frau in Deutschland erlebt im Laufe ihres Lebens sexuelle Belästigung – am Arbeitsplatz, auf dem Schulweg, in der Uni, im ÖPNV, beim Feiern. In Heidelberg wären das hochgerechnet über 80.000 Betroffene.

Diese Gewalt gehört für viele Frauen, Mädchen und LINTA-Personen zur Alltagsrealität. Und das ist der eigentliche Skandal. Das ist Ausdruck eines strukturellen, gesellschaftlichen Problems und ein Angriff auf unsere Freiheit, Würde und Selbstbestimmung.

Doch während die Beratungsanfragen steigen, stagnieren die Mittel. 2025 fehlen uns als Frauennotruf aufgrund der Tarifsteigerungen bereits knapp 21.000€ – ohne Berücksichtigung weiterer dringend notwendiger Lohnanpassungen für unsere Mitarbeiterinnen. Kommt die angekündigte Kürzung von 2,5 % im Jahr 2026 hinzu, wächst das Defizit um weitere 15.000 €. Insgesamt entspricht diese Finanzierungslücke etwa einer halben bis dreiviertel Stelle – das entspricht jährlich ca. 60 Präventionsveranstaltungen oder mindestens 350 Beratungsstunden.

Konkret heißt das: Schulworkshops und Awareness-Schulungen müssen gestrichen werden. Beratungszeiten werden gekürzt. Wartelisten für Betroffene eingeführt. Das können wir nicht hinnehmen: Wir wollen keiner Frau, keinem Mädchen, keiner LINTA-Person, die gerade vergewaltigt wurde, sagen müssen: „Rufen Sie in vier Wochen wieder an.“ Aber genau darauf steuern wir zu.

Die Verabschiedung des Gewalthilfegesetzes verpflichtet Kommunen dazu, spezialisierte Fachberatungsstellen – wie FhF und den Frauennotruf – als Pflichtaufgabe zu sichern – und das ist auch dringend notwendig.

 

Viele Entscheidungsträger*innen aus dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung haben den Wert unsere Arbeit erkannt und in den letzten Jahren unterstützt – und daran möchten wir anknüpfen. Denn um unser Angebot aufrechtzuerhalten und den wachsenden Bedarf gerecht werden zu können, braucht es eine stabile Grundlage.

Deshalb sagen wir heute deutlich: Wir kämpfen um unseren Bestand. Denn Fachberatungsstellen sind keine freiwilligen Angebote. Sie sind unverzichtbar.

Wir stehen heute zusammen: Gegen patriarchale Gewalt. Gegen Ignoranz durch Unterfinanzierung. Für das Recht auf Schutz, Beratung und Selbstbestimmung.

Wir fordern: Verlässliche Finanzierungen und keine Kürzungen im sozialen Bereich!

Solidarität zeigt sich im Haushalt einer Stadt. Wer eine solidarische Stadtgemeinschaft wünscht, der muss sie auch finanzieren.

Lasst uns gemeinsam für den Erhalt und den Ausbau einer solidarischen sozialen Stadtgemeinschaft kämpfen!

Vielen Dank.